Ab März 2020 findet in der Akademie Heiligenfeld die Fortbildung Balint-Gruppenarbeit unter der Leitung von Dr. Barbara Staemmler statt. In einem Interview stellt uns die Referentin den Begriff Balint-Gruppe näher vor und gibt uns Einblicke, was die Teilnehmer während der Veranstaltung erwartet:
Frau Dr. Staemmler, was versteht man überhaupt unter dem Begriff „Balint-Gruppe“?
Von dem Analytiker Michael Balint begründet war eine Balint-Gruppe ursprünglich eine Gruppe von Hausärzten, die sich unter psychotherapeutischer Leitung trafen, um Probleme der Arzt-Patient-Beziehung zu erkennen und ganzheitliche Lösungen für diese Probleme zu finden. Dieses Vorgehen ist natürlich auch für Ärzte anderer Fachrichtungen und ihre Schwierigkeiten in den Beziehungen zu ihren Patienten fruchtbar. Eine Balint-Gruppe ist im klassischen Verständnis eine Arbeitsgruppe von acht bis zwölf Ärztinnen und Ärzten, die sich regelmäßig treffen, um über ihre „Problempatienten“ zu sprechen mit dem Ziel, die Arzt-Patient-Beziehung zu verstehen und zu verbessern. Außerdem ermöglicht die spezielle Arbeitsweise einer Balint-Gruppe auch eine oft unbekannte Art von Supervision für Psychologen, Theologen, Sozialarbeiter und andere.
Am Erkennen der Probleme und am Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten sind in einer Balint-Gruppe alle Teilnehmer mit ihren Bildern, Assoziationen, Phantasien und Gefühlen beteiligt. Nicht die Leiterin, sondern der Prozess der gesamten Gruppe steht im Vordergrund. Die Vorgehensweise einer Balint-Gruppe macht es so möglich, am eigenen „Leibe“ zu erfahren, wie die Arzt-Patient-Beziehung sich in der Gruppe widerspiegelt
An wen richtet sich diese Fortbildung und was erwartet die Teilnehmer?
Balint-Gruppen richten sich an Ärzte und Psychotherapeuten und sind heute allgemein als ein Element in der Aus- und Weiterbildung anerkannt. Sie haben ebenso eine Bedeutung als Supervision in anderen Bereichen des Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesens. Nach einer kurzen Begrüßung stellt einer der Teilnehmer*innen (auch „Referent“ genannt) eine Beziehung zu einem Patienten oder einer Klientin vor, die ihn beschäftigt, ihm Schwierigkeiten macht oder nachgeht, anstrengend oder berührend war. Die anderen Teilnehmer*innen können anschließend Sachfragen zum Verständnis stellen. Danach nimmt sich der Referent zunächst zurück und lässt die Aussagen der anderen und das Gruppengeschehen auf sich wirken.
Aufgrund von Assoziationen, Gefühlen, Körperwahrnehmungen und Phantasien entwickeln sich Dialoge in der Gruppe und daraus ein gemeinsam erarbeiteter Eindruck, der bewusste und unbewusste Anteile der Patienten und des Referenten an der geschilderten Beziehungsproblematik deutlich werden lässt. Das Erkennen dieser Dynamik führt in aller Regel zu neuen Erkenntnissen, einer veränderten Einstellung beim Referenten und damit zu einer Verbesserung der therapeutischen Beziehung. Gegen Ende der Sitzung werden diese Ergebnisse in der Gruppe gemeinsam mit dem Referenten zusammengetragen.
Was können die Teilnehmer aus diesem Seminar für die Zukunft mitnehmen?
Die gemeinsame Balintarbeit schafft für die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, Erleichterung bei einer schwierigen Situation mit einem Patienten zu erfahren, ebenso wie kollegiale Solidarität und Verständnis. Gleichzeitig entstehen durch die Gruppenarbeit neue Lösungsansätze. In vielen Fallen kann dadurch der Umgang mit und die Behandlung von schwierigen Patienten verbessert werden, was positive Effekte für die Genesung und Gesundheit der Patienten hat.
Zusätzlich kommt es durch die kontinuierlichen Treffen zu einer Verbesserung der Gesprächsführung und zur Reflexion des beruflichen Selbstverständnisses. Dies beugt einer Verausgabung vor, oft Burn-out-Syndrom genannt. Eine aktuelle Studie zeigt, das gerade auch Ärzte aus somatischen Fachdisziplinen besonders von der Balintgruppenarbeit profitieren.
Weitere Informationen sowie ein Anmeldeformular zur Fortbildung finden Sie hier.