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Heiligenfelder Gespräch: Prof. Dr. Loew spricht über „Traumatherapie wo der Pfeffer wächst…“

Herr Professor Loew, am 21.02.2018 halten Sie im Rahmen des Heiligenfelder Gespräches den Vortrag „Traumatherapie wo der Pfeffer wächst“ und gehen dabei auf Psychotherapieangebote in Krisengebieten ein.

Wie kann man sich Psychotherapie im Nahen Osten oder in Asien vorstellen?

Es gibt drei große Probleme: Psychotherapeuten sind rar. In Heide Rabatt, einer Stadt mit 8.000.000 Einwohnern, gibt es etwa zehn Psychiater. Psychologen sind auch wesentlich seltener als bei uns zu finden und zudem viel schlechter ausgebildet, insbesondere im Bereich der Psychotherapie. Daneben gibt es die kulturell verankerte, gesellschaftliche Grundeinstellung schlechte Erlebnisse möglichst zu verdrängen und in die Zukunft zu schauen.
Das zweite Problem ist, dass der Bildungsgrad in der Bevölkerung deutlich niedriger ist als bei uns, zusätzlich sind sehr viele Erwachsene noch Analphabeten. Eine schriftliche Information, zum Beispiel mit Flyern, macht da wenig Sinn, zumal Papier gerade in Zeiten des Monsuns nicht lange trocken bleibt.
Hinzu kommen die schlechten Verkehrsverbindungen und großen Entfernungen. Die auf viele kleine Dörfer verteilt lebenden Einwohner haben grundsätzlich eine sehr schlechte medizinische Versorgung.
Die Zielsetzung ist also ein Multiplikatoren Modell einzuführen: Wissen wird an ausreichend qualifizierte Lehrer vermittelt, die Hilfslehrkräfte, die in Indien eine große Bedeutung haben. Sie ersetzen die Nachhilfe oder Unterstützung durch die Eltern, welche selbst nicht lesen und schreiben können, mit Hilfe einer speziellen Art des außerschulischen Nachmittagsunterrichtes. Die wissenschaftlichen Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass sie in Form von Kinderliedern oder kleinen Theaterstücken von den Hilfslehrern an die Kinder übermittelt werden.

Wie erkennen Sie ein Trauma? Was sind Anzeichen für ein Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und wann ist eine Therapie anzuraten?

Wir müssen unterscheiden zwischen dem Trauma im Sinne eines Ereignisses, zum Beispiel dem Tsunami oder Gewalt, und den seelischen Trauma Folgen. Gott sei Dank können 90 Prozent der Menschen mit schweren Belastungen, die statistisch gesehen jeden wenigstens einmal im Leben blühen, umgehen. Aber zehn Prozent der Menschen kommen eben nicht alleine damit zurecht, sie entwickeln Symptome wie Albträume, die mit dem Ereignis zu tun haben. Sie haben sogenannte Flashbacks, fühlen sich also plötzlich in die damalige Situation emotional zurückversetzt. Sie verändern ihr soziales Verhalten, ziehen sich zurück, trauen sich nicht mehr an Plätze, die an das Trauma erinnern könnten und haben einen hohen Leidensdruck. Zudem können Trauma Symptome immer auch zu weiteren psychosomatischen Beschwerden oder anderen psychischen Erkrankungen führen.

Wie hoch ist die Bereitschaft der Soldaten, sich bei seelischen Belastungen medizinische Hilfe zu holen?

Grundsätzlich würde ich sagen, je erfahrener und älter die Soldatinnen und Soldaten sind, desto höher ist die Bereitschaft eine Belastung zuzugeben und sich Hilfe zu holen. Mittlerweile ist der Umgang mit dem Thema, zum Beispiel in der Bundeswehr, sehr professionell. Die Einsatzvorbereitung ist von psychologischer Seite her gut, allerdings kommen die körperorientierten Selbstregulationsmöglichkeiten noch zu kurz. Diese sind aus wissenschaftlicher Sicht sehr wirksam und könnten eigentlich systematisch vermittelt werden. Das Risiko für Soldaten ist, da wir es ja mit einer besonderen Auswahl an Charakteren zu tun haben, geringer als in der Allgemeinbevölkerung. Es gibt bestimmte Faktoren, die das individuelle Risiko erhöhen, wie etwa eine vorbestehende psychische Erkrankung oder eine wiederholte Traumatisierung. Ersteres wird im Rahmen der Musterung berücksichtigt, letzterem versucht die Bundeswehr durch kurze Einsatzzeiten im Ausland vorzubeugen.

Es gibt eine Reihe von psychotherapeutischen Verfahren zur Trauma Behandlung. Welche wenden Sie an? Mit welchen haben Sie Erfolge erzielt?

Zusammenfassend lässt sich, rückblickend auf die verschiedenen Ansätze der letzten 30 Jahre, Folgendes sagen: ein wichtiger gemeinsamer Nenner der Ansätze ist das „Wiederaufbereiten“ der belastenden Situation: das kann durch Erzählen erfolgen, durch Aufschreiben oder durch Gestalten. Zur Therapie werden diese Erzählungen aber erst, wenn die Betroffenen bei der Regulation ihrer Emotionen unterstützt werden, indem sie ein Gegenüber haben, das auf die Emotionen eingeht, sie erklärt und quasi eine Erlaubnis gibt, diese auch zuzulassen. Das ist aber nur die halbe Miete, ganz entscheidend dabei ist, das mit Selbstregulationstechniken zu verbinden, die es dem Patienten ermöglichen, auch im Alltag anflutende heftige Gefühle  in den Griff zu bekommen, und sich diesen nicht ausgeliefert zu fühlen. Hier können körperorientierte Techniken, die Bewegung oder Atmung als Ansatzpunkt haben, einen guten Dienst erweisen. Überraschend gut kommt dabei die Sandspiel-Therapie zum Einsatz, für die es kaum Worte braucht, und damit auch keinen Dolmetscher.

In manchen Fällen, wenn der Patient zum Beispiel bei einer Trauma Konfrontation besonders heftige Gefühle erlebt, kann es zu Dissoziationen kommen. Dabei haben die Betroffenen das Gefühl, nicht sie selbst zu sein oder das Gefühl, die Welt wie von fern zu erleben. Wie wird sich der Therapeut in solch einer Situation verhalten?

Hier gibt es aus meiner Sicht nur eine einzige rationale Vorgehensweise:
Erstens, die Psychotherapeutin oder der Therapeut muss in der Lage sein selbst gut zu stabilisieren. Kann er authentisch ruhig bleiben und das Gehörte oder Gesehene gut aushalten, dann wird sich der Patient auch beruhigen, was hier beobachtet werden kann ist das naturwissenschaftlich belegte Spiegel-Phänomen und genau das vermitteln wir in unserem Seminar. Dazu eignet sich insbesondere die funktionelle Entspannung sehr, die sie, angepasst für diesen speziellen Zweck, bei uns (kennen-)lernen werden.
Zweitens – Bilaterale Stimulation! Bei uns im Seminar können Sie etwa 30 verschiedene Möglichkeiten lernen – auch als Laie – die Patienten an dieser Stelle abzuholen. Denn man ist nicht nur im Rahmen der Therapiesitzungen Patient, auch im Alltag erscheinen Symptome, die sie als begleitende, betreuende Person oder Angehöriger erkennen sollten, um nach unserer Anweisung entsprechend handeln zu können. Es ist natürlich nicht vergleichbar mit Trauma Psychotherapie im engeren Sinn, sondern eher eine Form symptomorientierte Unterstützung, vergleichbar mit dem Füttern eines kranken Angehörigen, der in dem Moment eben nicht selbst essen kann.

Sie bilden seit 2016 den Trauma Helfer in Deutschland aus. Diese Fortbildung bieten Sie auch demnächst an der Akademie Heiligenfeld in Bad Kissingen an. Was beinhaltet die Fortbildung und an wen richtet sie sich?

Sie richtet sich an alle Interessierten, die wissen wollen, wie sich Traumafolgestörungen besonders bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen zeigen, wie sich diese Symptome im Alltag erkennen lassen und welche Stabilisierungstechniken in diesen Situationen zum Einsatz kommen können. Sie werden zwei spezielle Therapieformen – das Handspiel für Kinder bis zwölf und die Arbeit mit der Lebenslinie für Kinder über zwölf – am eigenen Leib kennenlernen. Unser Konzept, dass Beate Leinberger erfunden hat, findet sich auf unserer Website www.gewiss-ev.de und unseren Büchern oder der DVD „Erste Hilfe für die Seele“. Besonders ansprechen möchten wir natürlich Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher sowie Betreuer aus Tagesstätten, Pflegekräfte, Arzthelferinnen, Ärztinnen und Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter. Wir haben mittlerweile auch für Einsatzkräfte, wie Polizei und die schon die erwähnte Bundeswehr, spezielle Angebote, die im Kern den Traumahelferschulungen sehr ähneln. Wir vermitteln neben der Symptomatik, insbesondere die die bei Kindern und Jugendlichen weniger bekannt ist, und den diagnostischen Möglichkeiten, auch kulturspezifische Hinweise, sozusagen einen kleinen Kurs “arabische/muslimische Kultur verstehen für Anfänger“. Außerdem möchten wir die Selbstregulationstechniken, die definierten Behandlungsmethoden SPRINTS und PARTNERS,  das Grundkonzept der EMDR und funktionelle Entspannung nahe bringen. Ebenso wie konkrete Konzepte, die die Umsetzung unserer Angebote am Heimatort, für Flüchtlinge aber auch traumatisierte deutsche Kinder erleichtern können. Wir schließen ab mit den strukturellen und abrechnungstechnischen Informationen.

Die Teilnahme am Heiligenfelder Gespräch ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Prof. Dr. Loew wird auch am Kongress „Kairos – Den Wandel gestalten“ einen Vortrag halten über das Thema „Die eine Welt sind viele Welten: Kairos zwischen Mythos und Moderne“.

Sie interessieren sich für die Traumabehandlung in den Heiligenfeld Kliniken? Erfahren Sie hier mehr darüber. Auch in Berlin besteht seit letztem Jahr die Möglichkeit.

 

 

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