Um das Seminar „Multifamilientherapie“ mit den Referenten Marouan El boubou, Dr. Petra Kingsbury und Thomas Kurzhals besser kennenzulernen, haben wir nachfolgend ein Interview mit den Referenten für Sie zusammengestellt.
Das Seminar findet vom 27.08. – 05.12.21 bei uns in der Akademie Heiligenfeld in Bad Kissingen statt.
An welche Zielgruppe genau richtet sich Ihr Seminar?
Die Multifamilientherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten viele Anwendungsfelder erschlossen. Hauptsächlich wird sie dort eingesetzt, wo Kinder und Jugendliche wegen psychischer Probleme in Behandlung sind oder einer besonderen Unterstützung bedürfen, also in ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, in Institutionen der Jugendhilfe, Fördereinrichtungen und in Schulen. Doch auch in der Arbeit mit erwachsenen Patientinnen und Patienten gibt es viele Beispiele, wo die Multifamilientherapie erfolgreich zum Einsatz kommt.
Insofern richtet sich dieses Seminarangebot an Ärzt*innen, Psycholog*innen, Sozial- und Sonderpädagog*innen, Lehrer*innen sowie Erzieher*innen, die ihre therapeutische oder pädagogische Arbeit durch den Einbezug der Familien ihrer Klient*innen um einen effektiven Ansatz erweitern möchten. Aber auch Pflege- und andere Fachkräfte in Einrichtungen, in denen bereits mit Multifamiliengruppen gearbeitet wird, können hier wichtige Grundlagen und Techniken erlernen, um die besondere Haltung und Arbeitsweise im Gesamtkonzept ihrer Einrichtungen zu umzusetzen.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie in Ihrem Kurs?
Der Kurs ist sehr praxisorientiert ausgerichtet und beinhaltet neben der Vermittlung wichtiger theoretischer Grundlagen viele Übungen und Demonstrationen, in denen die Teilnehmer*innen spezifische Methoden selbst erfahren und in Simulationen ausprobieren können. Der Aufbau der Seminareinheiten erfolgt ähnlich dem Ablauf einer Multifamiliengruppe und bezieht immer die Ressourcen und Erfahrungen der Ausbildungsgruppe ein. Die Seminarleiter fungieren als Therapeutenmodell, und die Vermittlung der Inhalte sowie die Moderation von Gruppenprozessen machen das Zusammenspiel und die Arbeitsweise im Co-Therapeutenteam direkt erlebbar.
Welche Übungen werden die Teilnehmer kennenlernen?
Die Multifamilientherapie lebt von spielerischen und kreativen Methoden, die bei den Familien Reflexions- und Lernprozesse auslösen. Hierfür gibt es ein breites Repertoire an Übungen, die phasen- und störungsspezifisch zum Einsatz kommen. Einige dienen dem „Anwärmen“ und zur Schaffung eines positiven Gruppenklimas, wie z.B. das „Speed-Dating“ oder „Wer hat schon mal …?“, andere dem Vorstellen und Kennenlernen in der Anfangsphase, wie z.B. das „Familienwappen“. Wieder andere dienen der Reflexion von Familienstrukturen und Rollen, wie das „Familienvehikel“ oder Skulpturen. Darüber hinaus gibt es Übungen, die störungsspezifisch ausgerichtet sind und Konflikte, Gewalt, Migrationserfahrungen, Schulprobleme, Essstörungen oder Trennung thematisieren. Schließlich gibt es Übungen zum Abschluss von Gruppenprozessen und Rituale, die diese Prozesse begleiten.
Der Kurs vermittelt eine Auswahl von Übungen für verschiedene Phasen und Themen, die auch in Simulationen erfahrbar werden. Noch wichtiger als die Übungen selbst ist allerdings, wie die Ergebnisse im Anschluss für die therapeutische Arbeit in der Gruppe nutzbar gemacht und Kommunikationsprozesse hierüber zielführend gesteuert werden können. Hierfür gibt es verschiedene Techniken, wie das Mentalisieren, das Zirkuläre Fragen, das Reflecting Team oder die Arbeit in Subgruppen, die als sogenannte Basistechniken vermittelt werden. Hierzu zählen auch die spontanen Interventionen im Hier und Jetzt, wie das „5-Schritte-Modell“, wenn nämlich problematische Interaktionen während der Übungen sichtbar werden oder schwierige Therapiesituationen entstehen, die den Ablauf der Gruppe stören.
Was können die Teilnehmer aus Ihrem Seminar mitnehmen?
Unser Ziel ist es, den Teilnehmer*innen dieses Kurses die grundlegende therapeutische Haltung und die Zusammenarbeit im Co-Therapeutenteam zu vermitteln sowie sie mit einem soliden Fundus an Methoden und Techniken auszustatten, die sie in die Lage versetzen, Multifamiliengruppen zu leiten und in ihren Einrichtungen mit der Arbeit zu beginnen. Um den Transfer in die eigene Praxis zu erleichtern, gibt es im letzten Modul extra eine Seminareinheit, die sich den Fragen der Integration der Multifamilientherapie in den eigenen Arbeitskontext widmet. Wir würden uns sehr freuen, wenn auf diese Weise die Multifamilientherapie auch im süddeutschen Raum eine größere Verbreitung findet und Neues entstehen darf.
Müssen die Teilnehmer gewisse Voraussetzungen mitbringen, wenn ja welche?
Dieser Kurs steht allen Interessierten offen. Es ist allerdings von Vorteil, wenn die Teilnehmer*innen bereits über Erfahrungen mit der therapeutischen oder psychosozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und ihren Familien verfügen oder vielleicht sogar schon über ein praktisches Anwendungsfeld, in dem sie das Gelernte direkt umsetzen können.
Wie kamen Sie zu dem Thema und wie lange beschäftigen Sie sich schon damit?
Thomas kam 2009 als Therapeut an eine Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Damals gab es nur eine Handvoll Menschen in Deutschland, die sich mit Multifamilientherapie beschäftigten, beflügelt von einem Pioniergeist, der auch sein Team in Dessau erfasste. Sie fingen an, verschiedene Elemente der Multifamilientherapie in ihrer Klinik umzusetzen, mit dem Ziel eine Familientagesklinik zu entwickeln, nach dem Vorbild der Dresdener Tagesklinik für Essstörungen, wo Professor Michael Scholz und sein Team zusammen mit Eia Asen das erste Projekt in Deutschland initiiert hatten. Sie luden Professor Scholz nach Dessau ein und schulten über ein Jahr hinweg das komplette Team der Tagesklinik in der Arbeit mit Multifamiliengruppen.
Dann zog es Thomas im Herbst 2013 an die Heiligenfeld-Klinik Waldmünchen, eine psychosomatische Familienklinik, wo er Marouan kennenlernte. Marouan war Therapeut in der Kindertherapiestätte und arbeitete mit den Kindern der Eltern, für die Thomas als Bezugstherapeut zuständig war. Schnell war der Gedanke geboren, die bis dahin noch weitgehend parallel stattfindenden Therapien von Eltern und Kindern mittels der Multifamilientherapie weiter zu integrieren. 2014 starteten sie gemeinsam das erste MFT-Angebot in der Klinik und entwickelten im weiteren Verlauf auch ein MFT-Programm für die regelmäßigen Intensivwochen. In dieser Zeit führten beide ihre MFT-Ausbildung am Institut für Multifamilientherapie in Dresden weiter.
Nachdem Thomas die Heiligenfeld-Klinik verließ, um eine eigene Praxis zu gründen, setzten Marouan und er ihre Zusammenarbeit als Multifamilientherapeuten fort und riefen eine Gruppe in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Straubing ins Leben, mit der sie seit 2017 kontinuierlich arbeiteten. So wurden die beiden Therapeuten im Laufe der Jahre ein routiniertes und eingespieltes Team, immer wieder aufs Neue begeistert von der Arbeit mit Multifamiliengruppen.
Marouan arbeitet noch immer an der Heiligenfeld-Klinik in Waldmünchen, wo die Multifamilientherapie heute zu einem festen Bestandteil des Klinikkonzeptes geworden ist. Thomas ist auch noch hin und wieder in der Klinik zu Gast und bietet Fortbildungen und Supervision zur Multifamilientherapie für das Klinik-Team an.
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